Montag, 9. März 2020

Gedanken zur Skjoldehamn Gugel

Was wurde nicht schon alles über und zur Skjoldehamn Gugel/Kapuze geschrieben und diskutiert. Für viele Wikinger-Reenactors ist sie untragbar, für andere wiederum unverzichtbar weil praktisch und mit das einfachste, was man im Hobby nähen kann.
Vermutlich auch genau aus diesem Grund sieht man sie inflationär und in teilweise weit vom Fund interpretierten Nähversuchen.

Unser Lars hat sich an eine fundnah interpretierten Rekonstruktion gewagt.

Doch zunächst ein paar Fakten zur Gugel.
Wenn man denn von Fakten sprechen kann. Denn der Wissensstand bei diesem Textil ist alles andere als so gesichert, wie einige glauben.


Was wissen wir?
Der Fundort: Norwegen, Andøya, der Hof Skjoldehamn. Gefunden im Jahr 1936 durch einen Zufall. Der Fundort war moorig, ihm verdanken wir die guten Konservierungsumstände. Die Gugel war kein Einzelfund, sondern Teil eines ganzen "Trachtenensemples" (Unter-  und Übertunika, Wadenwickel, Schuhe, Gürtel, Hose, Teile eines Messers). Inklusiver teilweise erhaltener Moorleiche darin.


Was wissen wir nicht genau?

Alter der Gugel:
Ab hier wird es unklar. Der erste, der die Textilien untersuchte, war Gutorm Gjessing, der die Textilien rein aufgrund äußerlicher optischer Gründe zeitlich einstufte. Er verwies auf das späte 15./frühe 16. Jahrhundert.
Erst deutlich später, in den 80er Jahren, wurden die Textilien und Knochen der Moorleiche mit der Radiocarbon-Methode datiert, auf das Jahr 1000 - 1210.
Weitere Untersuchungen einige Jahre später ergaben als Zeitraum 995 - 1029.
Die jüngste Untersuchung aus dem Jahr 2009 deutet auf den Zeitraum von 1050 - 1090 hin.

Die z.T. stark voneinander abweichenden Ergebnisse werden heute noch diskutiert und eine abschließende Bewertung gibt es bislang nicht. Ich tendiere dazu, der neuesten Untersuchung zu glauben, da die Methoden der Altersdatierung 2009 deutlich andere waren als noch in den 80er Jahren.

Die Moorleiche:
Frau oder Mann? Saami oder nicht? Auch diese Fragen lassen sich nicht komplett eindeutig beantworten, aber es gibt mittlerweile eine gewisse, wissenschaftliche Tendenz.
Da bei Untersuchungen der DNA keine Y-Chromosomen gefunden wurden, tendiert man mittlerweile zu der Aussage, die Moorleiche sei eine Frau gewesen. Gjessing, der die Leiche als erster untersuchte, schätzte sie noch aufgrund der Bekleidung und des Messers als Mann ein.
Die DNA-Untersuchung ergab auch keine genetischen Marker, die für Saami sprachen.
D.h. heute geht man davon aus, dass die Moorleiche eine "fast-noch" wikingerzeitliche Frau war, auch wenn man dem Saami-Einfluss noch eine Chance von 20-30% einräumen möchte.

Welchen Einfluss zeigt die Kleidung?
Gjessing stritt den Saami-Einfluss aufgrund gewisser Textilelemente und fehlendem Wissen über regionale Besonderheiten ab.
Neuere Untersuchungen von Løvlid zeigen jedoch Ähnlichkeiten zu Kostümen aus Lule und dem südlichen Saami-Bereich, die nicht von der Hand zu weisen sind. Ein klares und eindeutiges "Ja, Saami" ist das aber nicht, da man auch bedenken muss, dass die Vergleiche zu recht jungen Trachten (ab 17. Jahrhundert) gezogen wurden.

Nichts genaues weiß man also nicht, wäre die Zusammenfassung.
Mit diesem Hintergrund kann also jeder entscheiden, ob diese Gugel für eine Darstellung in Frage kommt, oder nicht.



Zurück zu Lars Rekonstruktion. Ich lasse ihn mal selbst sprechen:

Den Stoff für die "Gugel" habe ich vor Jahren schon von Juliane Schwarz (Bunte Tuche) bekommen. Es handelt sich dabei um einen handgewebten 1/1 Wollköper in Naturbraun/Natur(hell), welchem das natürliche Lanolin nicht ausgewaschen wurde. Dadurch ist der Wollstoff sehr wasserabweisend.
Die Fadendichte beträgt etwa 7 in der Kette und 5-6 im Schuss, die Fäden einfach versponnen. Ich bin mir nicht sicher ob S- oder Z-Richtung. Der Stoff ist jedenfalls recht dicht und schwer. Perfekte Vorraussetzung also für wetterfeste Kleidung.

Laut Fundbeschreibung von Dan Halvard Løvlid ( “The Skjoldehamn Find in the Light of New Knowledge.” Trans. Carol Lynn (2011) handelt es sich bei der 1936 in Norwegen gefundenen Kapuze um ein eng am Kopf liegendes Kleidungsstück. Entsprechend eng habe ich den Zuschnitt gemacht. Das Hauptteil misst 65x65cm. Dieses wurde in der Mitte einmal zusammengefaltet und an der entstandenen Falte das Loch für den Gesichtsausschnitt, sowie ein Schlitz für den vorderen Keil eingeschnitten. Dazwischen blieb der Stoff auf etwa eineinhalb Zentimetern zusammen und auch oberhalb des Ausschnitts habe ich etwa drei Zentimeter Platz gelassen.
 Den Gesichtsausschnitt habe ich meinem Gesichtsumfang angepasst (halber gemessener Gesichtsumfang plus zwei, drei Zentimeter Spielraum). Die Breite der Kapuze entspricht meinem halben Kopfumfang plus fünf Zentimeter. In den Schlitz habe ich zuerst den vorderen Keil (Kantenlänge 30cm inkl Nahtzugabe) eingenäht, dann den oberen und hinteren Teil der Kapuze zusammen genäht und schließlich den hinteren Keil (Kantenlänge 35cm) angesetzt. Alle Nähte bis dahin wurden als Kappnaht ausgeführt. Dann habe ich den Gesichtsausschnitt mit einem Rollsaum versehen.

Im Original sind zwei Drittel auf der linken Seite mit rotem Faden ausgeführt, der Rest und die komplette rechte Seite mit gelbem Faden. Ich habe mich hier für den walnussbraunen Faden entschieden, mit dem ich auch schon die anderen Nähte ausgeführt habe. Die Außensäume sind im Fund mit 5-15mm Stichabstand nur grob überwendlich versäubert, nichtmal umgeschlagen. Dafür habe ich mich auch entschieden, allerdings mit 2-3mm Stichabstand wesentlich feiner. Zum Schluss musste ich noch die seitlichen Kordeln herstellen. Diese sind aus sechs Fäden Dochtgarn in Krapprot, Birkengelb und Birkengrün geflochten, sodass sie ein Fischgratmuster erzeugen. Mit einer Naalbindingnadel habe ich diese in die Seiten (etwa 20cm von oben und 10cm von vorne) eingesetzt und in der Kapuze festgenäht. Mit den Kordeln kann ich die Seiten der Kapuze nun nach hinten ziehen indem ich die Kordeln im Nacken zusammenbinde und habe so ausreichend Sichtfreiheit.Im Original wurde die Passform noch durch Absteppung der Kapuze mit gelbem Garn an den
Kopf angeglichen, sodass eine Art Hahnenkamm entsteht. Darauf habe ich vorerst verzichtet, vielleicht hole ich es noch nach.









Weitere, interessante Artikel zur Skjoldehamn-Gugel:
https://www.vidars-horde.de/a-fur-artikel/skjoldehamn-gugeln
http://www.medieval-baltic.us/skjold.html
http://www.vesteraalen.info/reportasjer_andoy_skjoldeforedrag_07.htm

Referenzen:
Gjessing, Gutorm. "Skjoldehamndrakten, en Senmiddelaldersk Nordnorsk Mannsdrakt." Viking, Tidsskrift for Norrøn Arkeologi. 2 (1938) pp.27-81.
Løvlid, Dan Halvard. “Nye tanker om Skjoldehamnfunnet.” Masteroppgave i arkeologi ved Universitetet i Bergen (2009).
Løvlid, Dan Halvard. “The Skjoldehamn Find in the Light of New Knowledge.” Trans. Carol Lynn (2011).

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